Als ich noch nicht in der spirituellen Szene unterwegs war, dachte ich das wären alles Menschen die sehr sozial eingestellt sind. Ich hatte das Bild des Samariters im Kopf und vermutete diese Leute hätten all ihre eigenen materiellen Bedürfnisse massiv runtergeschraubt. Sie würden sich nichts aus Geld oder Macht machen. Alles was sie wollten wäre, dass es anderen Menschen mindestens genauso gut gehen würde wie ihnen selbst. Abgesehen von den schwarzen Schafen, die es in jedem Segment gibt, war ich dem Trugschluss aufgesessen, ich hätte es mit Wesen zu tun die tatsächlich in ihrem Geist weiter wären als andere. Vielleicht war es eine naive Einstellung. Immerhin gibt es nicht DEN einen richtigen Weg in der Spiritualität. Und das Wort ist auch sehr weit gefasst.
Ein tieferer Blick
Nachdem ich mich selbst vor einiger Zeit auf den Weg gemacht habe, meine eigene Spiritualität zu entdecken, meinen Geist viel öfter anzuhören und mein Wesen zu ändern, wurde mein Blick klarer. Es ist wie wenn ein kranker Mensch sich viel intensiver mit seinem Körper beschäftigt und dadurch ähnliche Muster bei anderen Menschen viel schneller erkennt. Inzwischen reicht mir eine kurze Zeit und ich sehe, wie weit mein Gegenüber auf seinem Weg ist. Es ist immer wieder spannend und interessant zu sehen, wenn ich erst später durch andere erfahre, wie ich mit meiner Einschätzung richtig lag. Dennoch geht es mir dabei nicht darum, Recht zu behalten. Manchmal hätte ich lieber nicht Recht und hoffe sogar, dass ich mich täusche. Es geht auch nicht darum, zu denken, ich könne jeden Menschen einschätzen oder gar Gedanken lesen. Das ist nicht meine Intension. Viel mehr ist das Ziel, das Individuum kennenzulernen. Vielleicht auch noch etwas zu lernen. Ich höre gerne anderen tiefgründigen Menschen zu. Jeder hat nämlich ganz andere Gedankengänge und sieht Zusammenhänge die mir bisher noch nicht klar waren. Anhand der neuen Erkenntnisse kann ich mein eigenes Verständnis verbessern.
Reflektiere dich selbst immer wieder
Selbstreflektion ist in diesem Zusammenhang ein sehr wichtiges Thema. Vor einigen Jahren, lernte ich jemanden kennen, die mir das erste Mal etwas über Selbstreflektion erzählte. Ich wurde angehalten, mein eigenes Handeln zu reflektieren. Bis zu dem Zeitpunkt, hatte ich das noch nie gehört. Ich dachte, mein Tun wäre mir natürlich immer bewusst, immerhin habe ich es selbst getan. So ist das jedoch nicht. In dem Moment, wenn wir etwas tun, fragen wir uns nicht jedes Mal wieso wir so vorgehen. Ja, wir überlegen einen Moment, was wir für richtig halten aber wir haben meistens gar nicht die Zeit tiefer einzusteigen.
Bei der Selbstreflektion geht es zwar um die Vergangenheit, aber nicht so sehr um die Handlungen selbst sondern eher die Frage warum ich damals so gehandelt habe. Es geht nicht um Reue, Fehlentscheidungen oder Alternativen. Niemand soll versuchen das Rad zurückzudrehen. Die Wertung entfällt komplett. Wichtig für die Zukunft, ist nur zu erkennen, wieso ich mich so verhalten habe. Somit wird das eigene Selbstbild um einiges klarer, denn dieses ist natürlich absolut subjektiv.
Alles ist subjektiv
Wie ich mich und meine Taten sehe ist eine subjektive Ansicht. Wie andere mich und meine Taten sehen ist ebenfalls eine subjektive Sichtweise der jeweiligen Person. Nun steckt die objektive Wahrheit irgendwo zwischen diesen beiden Perspektiven.
Würde ich mich perfekt einschätzen können und ebenso andere Menschen mich perfekt einschätzen so würde sich die objektive Wahrheit ergeben. Leider ist dieser Zustand unmöglich. Wenn ich aber mich selbst sehr gut einschätzen kann, also weiß wer ich bin und warum ich so handle wie ich es tue, und nach außen auch mein Tun und Sein möglichst offen zeige, so ergibt sich ein klareres Bild von mir. Es wäre möglich, dass dies der Wahrheit nahe kommt.
Ich erläutere dies so ausführlich, weil ich immer wieder sehe, dass die meisten Menschen sich selbst nicht kennen. Das Selbstbild weicht massiv von dem ab, wie sie sich anderen gegenüber verhalten.
Selbstbild und reale Handlungen
In der Yoga-Szene tummeln sich viele Menschen die sich gerne als ethnische Vorreiter bezeichnen oder sehen. Möglichst alles, von der Kleidung bis hin zum Essen sollte Öko bzw. Bio sein. Das ist eine wunderbare Einstellung und hat Vorbild-Charakter. Beim Eintauchen in das Leben einiger dieser Leute kommen mir allerdings Zweifel.
Da stehen die IKEA-Möbel in der Wohnung. Da liegt der Edel-Kajal im Badezimmer. Da ist der Schrank voll mit Zara und H&M. Und bestellt wird am meisten bei Amazon. Mir persönlich macht dies nichts aus. Keiner ist in der Lage alles absolut nachhaltig zu kaufen oder auf alles zu verzichten. Schlimm finde ich daran nur, dass nach Außen eine große eigene Verbindung zwischen Natur, Verantwortung, Nachhaltigkeit etc. propagiert wird, die man selbst gar nicht in dieser Form lebt. Wieso wird von anderen erwartet, etwas zu Leben, das man selbst nicht lebt?
Ähnliches fällt mir in der spirituellen Szene immer wieder auf. Der spirituelle Weg zu sich selbst bedeutet eben nicht, das Leben anderer zu vergessen. Oder die Sorgen, Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse anderer zu ignorieren. Es wird viel über Achtsamkeit, Menschlichkeit und höherem Bewusstsein gesprochen. Doch der direkte Nachbar oder Kollege ist einem egal. Man meditiert stundenlang und übt sich in akrobatischen Asanas, doch Wertschätzung hat man keine. Es entsteht eine verkrüppelte Spiritualität.
Spiritualität ist eben nicht Egoismus
Weil man, all diese Maßnahmen für sich selbst tut, bedeutet es eben noch lange nicht, dass man auf dem spirituellen Weg weiter ist. In der Tat hat nämlich auch dieser Weg, wie so viele Wege, seine Abzweigungen und Gefahren.
Wer sich ständig nur, mit sich selbst und seinem kleinen Radius beschäftigt, verliert den Blick für sein weiteres Umfeld. Du siehst nicht mehr, die Sorgen, Wünsche und Gedanken anderer. Ja, in dem man mehr zu seinem Geist findet, zu seiner eigenen Energy, wird man mental und körperlich stärker. Die Einflüsse von außen können einem nicht mehr so viel anhaben. Je mehr man bei sich selbst ist, desto leichter prallt alles andere an einem ab.
Hier sollte jeder vorsichtig sein, nicht zu viel abzuschirmen.
In Gedanken alleine. In der Welt aber nicht.
Jeder kann in seinen Gedanken alleine sein, auf der Welt ist er es jedoch nicht. In der modernen Spiritualität geht es eben nicht darum, sich zurückzuziehen und denken man wäre erleuchteter als all die schwachen Wesen da draußen. Es geht mehr darum, bewusst sein Herz zu öffnen ohne dabei selbst zu leiden. Mit deiner eigenen Stärke, der du dir dank einiger Maßnahmen wieder bewusst geworden bist, kannst du einiges mehr erreichen. Bei dir selbst, und auch bei den anderen.